sábado, 5 de março de 2005

Canção de uma Criança

Um dos grandes poemas do século XX é, a meu ver, Das Lied vom Kindsein (A Canção da Criança/Infância) do poeta austríaco Peter Handke. Como uma "nursery rhyme", este poema atravessa o filme de culto de Wim Wenders, O Céu sobre Berlim (As Asas do Desejo). Aqui vai em português um pequeno excerto desse poema e o original alemão na sua versão integral. Em próximos "posts", vou traduzindo e sublinhando alguns desses versos que são - porque não dizê-lo? - imortais.

"Quando a criança era criança
Ela caminhava com os braços balançando
Ela queria que o riacho fosse um rio,
O rio uma torrente
E essa poça d'água, o mar.

Quando a criança era criança,
Ela não sabia que era criança.
Tudo era inspirado nela,
E todas as almas eram uma só.
Quando a criança era criança,
Ela não tinha opinião sobre nada,
Não tinha nenhum hábito
Ela se sentava de pernas cruzadas,
Saía correndo de repente.
Tinha um redemoinho no cabelo
E não fazia caras quando ia tirar fotografias.

Quando a criança era criança,
Era a época dessas perguntas:
Por que eu sou Eu
E não Você?
Por que eu estou aqui e
por que não lá?
Quando começou o tempo
E onde termina o espaço?
A vida sob o sol não é apenas um sonho?
Não seria tudo o que eu posso ver, ouvir e cheirar
Apenas a aparência de um mundo anterior a este mundo?
Existem mesmo o Mal
E pessoas que são realmente más?
Como é que eu, o Eu que eu sou,
Antes que eu viesse a ser, não era ?
E como é que uma dia eu,
o Eu que eu sou, não mais serei
o eu que Eu sou?"

(versão portuguesa de Henrique Marcusso)

Lied vom Kindsein

Peter Handke

Als das Kind Kind war,
ging es mit hängenden Armen,
wollte der Bach sei ein Fluß,
der Fluß sei ein Strom,
und diese Pfütze das Meer.
Als das Kind Kind war,
wußte es nicht, daß es Kind war,
alles war ihm beseelt,
und alle Seelen waren eins.
Als das Kind Kind war,
hatte es von nichts eine Meinung,
hatte keine Gewohnheit,
saß oft im Schneidersitz,
lief aus dem Stand,
hatte einen Wirbel im Haar
und machte kein Gesicht beim fotografieren.
Als das Kind Kind war,
war es die Zeit der folgenden Fragen:
Warum bin ich ich und warum nicht du?
Warum bin ich hier und warum nicht dort?
Wann begann die Zeit und wo endet der Raum?
Ist das Leben unter der Sonne nicht bloß ein Traum?
Ist was ich sehe und höre und rieche
nicht bloß der Schein einer Welt vor der Welt?
Gibt es tatsächlich das Böse und Leute,
die wirklich die Bösen sind?
Wie kann es sein, daß ich, der ich bin,
bevor ich wurde, nicht war,
und daß einmal ich, der ich bin,
nicht mehr der ich bin, sein werde?
Als das Kind Kind war,
würgte es am Spinat, an den Erbsen, am Milchreis,
und am gedünsteten Blumenkohl.
und ißt jetzt das alles und nicht nur zur Not.
Als das Kind Kind war,
erwachte es einmal in einem fremden Bett
und jetzt immer wieder,
erschienen ihm viele Menschen schön
und jetzt nur noch im Glücksfall,
stellte es sich klar ein Paradies vor
und kann es jetzt höchstens ahnen,
konnte es sich Nichts nicht denken
und schaudert heute davor.
Als das Kind Kind war,
spielte es mit Begeisterung
und jetzt, so ganz bei der Sache wie damals, nur noch,
wenn diese Sache seine Arbeit ist.
Als das Kind Kind war,
genügten ihm als Nahrung Apfel, Brot,
und so ist es immer noch.
Als das Kind Kind war,
fielen ihm die Beeren wie nur Beeren in die Hand
und jetzt immer noch,
machten ihm die frischen Walnüsse eine rauhe Zunge
und jetzt immer noch,
hatte es auf jedem Berg
die Sehnsucht nach dem immer höheren Berg,
und in jeden Stadt
die Sehnsucht nach der noch größeren Stadt,
und das ist immer noch so,
griff im Wipfel eines Baums nach dem Kirschen in einem Hochgefühl
wie auch heute noch,
eine Scheu vor jedem Fremden
und hat sie immer noch,
wartete es auf den ersten Schnee,
und wartet so immer noch.
Als das Kind Kind war,
warf es einen Stock als Lanze gegen den Baum,
und sie zittert da heute noch."